21. Mittelhessisches Rettungsdienstsymposium beleuchtet aktuelle Probleme im Rettungsdienst
Dr. Andreas Jerrentrup (Marburg) eröffnete das Symposium mit einem Vortrag über die flächendeckende Einführung von Ultraschall in Mittelhessen. Bei einer entsprechenden Schulung des Personals kann eine Sonographie auch von nicht ärztlichem Personal durchgeführt werden. Die präklinische Sonographie bildet eine wichtige diagnostische Ergänzung, die auch therapieentscheidend sein kann. Eine der größten Herausforderungen im Rettungsdienst ist die Behandlung des traumatischen Kreislaufstillstandes – Carl Christian Hahn (Gießen) referierte daher über „Clamshell Thorakotomie“. Diese Reanimationsthorakotomie ist eine leitlinienabgesicherte Maßnahme und hat zum Ziel, eine interne Herzdruckmassage durchführen zu können und die Herzbeuteltamponade zu entlasten. In der Praxis könnte diese Prozedur Rettungsdienstbereichsweit oder in Form von High-Performance-Teams umgesetzt werden.
Ergebnisse aus dem Deutschen Reanimationsregister stellte Patrick Ristau (Kiel) vor. Das Deutsche Reanimationsregister ist die größte überregionale Datenbank für die Erhebung, Auswertung und Beurteilung von Reanimationen in Rettungsdienst und Klinik sowie von innerklinischen Notfallversorgungen im deutschsprachigen Raum. Der Bericht enthält Aussagen zu den Patienten, Ergebnissen, der Weiterversorgung und dem Langzeitverlauf und ist daher ein wichtiges Tool für das Debriefing des Personals, um damit die Reanimationsergebnisse stetig zu verbessern. Dr. Nils Lenz (Ärztlicher Leiter Rettungsdienst (ÄLRD) Landkreis Gießen) referierte über die Leitlinie „Diagnostik und Therapie der Kohlenmonoxidvergiftung“.
Den dritten Themenblock zu den aktuellen Problemen im Rettungsdienst leitete Dr. Thomas Plappert (stellv. ÄLRD Fulda) mit seinem Vortrag zur „Präklinischen Akutmedizin im Rettungsdienst“ ein. In den vergangenen Jahren gab es eine Veränderung im Einsatzgeschehen. Nicht nur im Landkreis Fulda zeigt sich, dass die Anzahl der Einsätze mit einer niedrigen Komplexität und Dringlichkeit stärker zunehmen als die Notfalleinsätze. „R0-Einsätze sind ein Problem im Rettungsdienst. Uns allen ist bewusst, dass diese Patienten Hilfe benötigen, einer von 20 ist sogar lebensbedrohlich erkrankt. Die Frage ist aber, ob alle diese Patienten einen Transport in eine Klinik brauchen. Wir produzieren damit immer mehr rettungsdienstliche Vorhaltung und Belastung der Kliniken, wenn diese Patienten alle transportiert werden“, erklärt Plappert. Ein Lösungsansatz könnte eine ambulante Versorgung durch Notfallsanitäter sein, die über eine dreimonatige Zusatzausbildung verfügen. Um ein solches Vorgehen in der Praxis zu testen, soll ein Pilotprojekt „Akutmedizin im Rettungsdienst Hessen“ etabliert werden, das sich aktuell aber noch in der Entwicklung befindet.
In der anschließenden Diskussion mit Susanne Sommer (Hausärztin im Vogelsbergkreis), Dr. Henrik Vollbracht (Referent Rettungsdienst HSMI), Prof. Dr. Alexander Lechleuthner (ÄLRD Köln) und Dr. Erich Wranze-Bielefeld (ÄLRD Vogelsbergkreis) wurden die aktuellen Problemstellungen noch einmal erläutert. „Es gibt eine Versorgungslücke zwischen der Hausärztlichen Versorgung und dem Rettungsdienstsystem“, erklärt Lechleuthner. Einige Patienten, deren Krankheitsbild eigentlich nicht vom Rettungsdienst versorgt werden muss, die aber aus verschiedenen Gründen nicht selbst zu einem Hausarzt gehen können, finden im derzeitigen Gesundheitssystem keine Anlaufstelle und wählen dann den Notruf. Für den Rettungsdienst führt die Vielzahl dieser Einsätze oft auch zu einer Nichteinhaltung der Hilfsfristen. Unter den Beteiligten herrschte Einigkeit darüber, dass ein differenziertes System für die Hilfsfristen notwendig ist, das z.B. auch Meldebilder berücksichtigt.
Das Fazit der interessanten Diskussion: Probleme können nicht allein im Rettungsdienst gelöst werden. Um Veränderungen herbeizuführen sind eine Vernetzung und enge Absprachen zwischen hausärztlicher Versorgung, ärztlichem Bereitschaftsdienst, Leitstellen und Rettungsdienst sowie Kliniken unabdingbar.
Die Veranstaltung wurde auch genutzt, um sich bei Dr. Erich Wranze-Bielefeld zu bedanken, der sich Ende Januar in den wohlverdienten Ruhestand verabschiedet. Bereits seit 1988 war Wranze-Bielefeld als Notarzt im Einsatz. Von 1995 bis 2021 war er als Leitender Notarzt im Landkreis Marburg-Biedenkopf tätig. Zudem war er viele Jahre der ÄLRD im Landkreis Marburg-Biedenkopf und im Vogelsbergkreis. „Erich Wranze-Bielefeld war dabei immer um eine Entwicklung bemüht, die die rettungsdienstliche Versorgung im Raum Mittelhessen verbessern sollte. Sein Engagement in all den Jahren hat den Rettungsdienst in der Region und auch das Mittelhessische Rettungsdienstsymposium entscheidend vorangebracht. Dafür sind wir ihm sehr dankbar“, erklärte Dr. Martin Sassen (ÄLRD des Landkreises Marburg-Biedenkopf) abschließend.